1. Die Zivilisation hat ich eingeholt, und ich bin ein wenig vor ihr geflüchtet (das ist auch eine Erklärung, warum du, liebe Ghost Stuhl, mitten im Wald stehst). Von drei Seiten haben wir Single-Nachbarn und es wurde uns eindringlich gesagt, dass eine fünfköpfige Familie mit drei Kindern nicht in eine Vier-Zimmer-Wohnung gehört, sondern in die Wildnis. Also wechselten wir die Rollen – größere und kleinere Hunde zogen in die Wohnsiedlung, und einige Bäume und Hirsche im Wald sind unserem Haus gewichen. Aber wissen Sie was - nichts Besseres konnte uns passieren. Wir atmen saubere Luft und die Kinder (um die Nachbarn nicht zu stören) müssen nicht vor dem Fernseher sitzen, sondern dürfen fröhlich im Wald klettern und jauchzen. Es ist nur so, dass diese Raumteilung ziemlich auf dem Kopf steht – ich stimme zu...

2. Irgendwann in der Mitte des dritten Jahrzehnts, ungefähr nach dem nach dem 35. Geburtstag, sah ich zum ersten mal im Spiegel die Falten, Augenringe, Hautrisse und einige Kilos zu viel. Ich weiß, dass sich einige Frauen seit ihrem 25. Lebensjahr mit diesen Themen auseinandersetzen, und ich kann dankbar sein, dass mir ein ganzes Jahrzehnt erspart wurde. Aber das ändert nichts daran, dass ich auch mit meinem Altern konfrontiert werde und ich es in Würde angehen muss. (Es wird sicherlich einige Posts dazu geben – ich verspreche es ☺).

3. Ich hasse diese Ungerechtigkeit, das in meinem Garten das Unkraut am besten gedeiht. Es ist wirklich schwer im Halbschatten etwas anzubauen. Und es freuet sich die ganze Familie, falls doch ein Strauß von Erdbeeren, Johannisbeeren oder einige Zwiebeln reif werden. Aber das Unkraut wächst von selber und bei jedem Wetter. Und jetzt stell Sie sich vor, dass das Unkraut nicht nur die verdammten Pflanzen sind, sondern auch Berge des schmutzigen Geschirrs, nicht gebügelte Wäsche, viele Dezibel Geschrei, also ein ganzen Berg aufgeschobener Pflichten ist, an denen ich tagtäglich stolpere, wie an den zerstreuten Schuhen meiner Kinder. Und es gibt keinen Platz mehr auszuweichen...

4. Im Winter haben meinen bescheidenen Garten (mit dem Unkraut) Rehe entdeckt, und seit dem Frühjahr weiden sie darin unbesorgt. Natürlich essen sie kein unnötiges Chlorophyll, sondern ergötzen sich an Erdbeerblättern, blühenden Himbeeren, fressen alle Knospen der Rosen, seltene Sämlinge aus dem Steingarten und während einer Nacht sind sie in der Lage die ganze Petersilie abzugrasen. Ein ähnliches „Service“ bieten auch die Mäuse, wenn sie in das Haus schlüpfen – neulich haben sie die Überzüge im Wohnzimmer entdeckt und an den gesalzen Oblaten geschlemmt.
Auch im Leben ist es ähnlich – es gibt Dinge wir nicht loswerden können und solche die wir nicht loslassen können, als ob es die unsichtbaren Rehe abweiden oder erfindungsreiche Mäuse stehlen würden: Zeit für ein gutes Buch, Kaffee mit einer Freundin, ungestörtes Träumen mit offenen Augen und Füßen auf dem Tisch... (Und in den kühneren Träumen wäre es regelmäßige Yoga-Übung oder eine romantische Kreuzfahrt auf der Donau (natürlich nur zu zweit). Dann öffne ich meine Augen und sehe, dass ich muss mit den Karten spielen, die mir ausgeteilt wurden. Basta!

5. Wenn ich von Allem genug habe und am liebsten irgendwo unter einem Ghost Stuhl kriechen würde, kommen Jonathan, Debora oder Doro und kleben eine süßen kleinen Kuss auf meine Wange. Jedes Mal, wenn Gregor herauskommt, lächelt er wie früher und zieht sich aus dem Hemd eine Schokolade, die ich liebe. Wenn ich schon denke, dass ich keine Kraft mehr habe, bekomme ich welche von denen, die mich meistens Energie kosten. Man kann vor ihrer Liebe nicht entkommen, also kehre ich immer zu ihnen zurück. Eben wie auch nach diesem Interview ...

Eure Agnes

Ghost Stuhl Agnes

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